Uni-Tagebuch, 14. Woche

Wesentliches Thema sind in dieser Woche die Besonderheiten der Tempusbildung bei den Verba liquida im Präsens, Futur (attisches Futur) und Aorist, außerdem der starke Aorist Passiv.

37. Tag

Hey, heute gab es sogar ein kleines Lob für die Kursteilnehmer! :) Herr Wiesner ist zufrieden mit unseren Lernfortschritten.

Neu ist heute nur die Deklination von ὁ ἰχθῦς, der Fisch. Ansonsten üben wir uns in der Unterscheidung von Iterativ der Gegenwart und futurischer Fall, den beim letzten Mal besprochenen Konjunktiv-Nebensätzen.

38. Tag

ὁ βασιλεύς gehört zur letzten Gruppe, die uns noch zur Dritten Deklination fehlt.

Wegen der vielen Partizipien in den griechischen Texten, die sich nicht auf gleiche Weise ins Deutsche übersetzen lassen, ist es hilfreich, ein paar Regeln im Kopf zu haben, mit denen die wiederkehrenden Muster leichter identifiziert werden können. Die folgenden Beispiele gehören darum auch zu der Fragensammlung, die Herr Wiesner regelmäßig im Unterricht abfragt.

Bei welchen Verbgruppen stehen Partizipialkonstruktionen?

  1. Verben, die eine besondere Art des Seins bezeichnen
    Beispiele:
    τυγχάνω παρών
    ich bin gerade/zufällig anwesend
    φαίνομαι κοσμῶν
    es zeigt sich von mir, dass ich schmücke
    φανερός εἰμι κλέπτων
    offensichtlich stehle ich
    λανθάνω ἀπατῶν
    heimlich betrüge ich
  2. Verben der Gemütsstimmung
    Beispiel:
    χαίρω ἀποκπινόμενος
    ich antworte gern
  3. Verben der geistigen und sinnlichen Wahrnehmung
    Beispiel (AcI):
    ὅρω σε ἥκοντα
    ich sehe, dass du kommst

39. Tag

Bei den Verba liquida ergeben sich einige Änderungen gegenüber der gewöhnlichen Tempusbildung.

Der Präsensstamm stimmt nur in wenigen Fällen mit dem Verbalstamm überein, nämlich bei μένω (μεν-) und νέμω (νεμ-). In den meisten Fällen tritt eine der folgenden Veränderungen des Präsensstammes auf:

  1. Verdoppelung des Konsonanten, z.B. ἀγγέλλω, βάλλω
  2. Vokaldehnung ε > ει, z.B. ἐγείρομαι, φθείρω
  3. Vokaldehnung α > αι, z.B. αἴρω, φαίνομαι

Das Futur bei den Verba liquida wird "attisches Futur" oder "Futurum contractum" genannt. Es wird nach dem Muster von ποιέω konjugiert, d.h. das Tempuszeichen σε/σο entfällt und die Endung bekommt den Zirkumflex (ausgenommen die 1. Person Plural im Medium, weil der Zirkumflex nicht auf der drittletzten Silbe stehen darf). Am Beispiel von νέμω (zuteilen) sieht das dann so aus:

Fut. Aktiv Fut. Medium
νεμ νεμοῦμαι
νεμεῖς νεμ
νεμεῖ νεμεῖται
νεμοῦμεν νεμούμεθα
νεμεῖτε νεμεῖσθε
νεμοῦσιν νεμοῦνται

Das Tempuszeichen σ von Aorist Aktiv und Medium entfällt mit Ersatzdehnung des vorhergehenden Vokals (α > η, ε > ει), ι, υ (und α nach ι, ρ) werden lang gesprochen, was sich aber nicht auf die Schreibweise auswirkt. Ein paar Beispiele:

Aor. Aktiv entsteht aus Präsensform
ἔνειμα < ἔ-νεμ-σα νέμω (zuteilen)
ἐμείνατε < ἐ-μέν-σατε μένω (bleiben)
ἠγγείλαμεν < ἠγγέλ-σαμεν ἀγγέλλω (melden)
ἔφηνα < ἔ-φαν-σα φαίνω (zeigen)
ἔκρινα < ἔ-κριν-σα κρίνω (urteilen)

Und dann gibt es noch den starken Aorist Passiv, der ohne θ gebildet wird. Das Futur Passiv wird bei diesen Verben vom Aorist abgeleitet und ebenfalls ohne θ gebildet. Beispiele:

Aor. Passiv Fut. Passiv Präsensform
ἐγράφην γραφήσομαι γράφω (schreiben)
ἐτράφην τραφήσομαι τρέφω (ernähren)
ἐστάλην σταλήσομαι στέλλω (senden)
ἐφάνην φανήσομαι φαίνω (zeigen)